Die Weitergabe eines Familienunternehmens an die nächste Generation ist eine oft heikle Angelegenheit.
Artikel aus "Saarwirtschaft 02 - 03 | 2024"
Die Übergabe an die nächste Generation ist ein Riesenthema in Familienunternehmen.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten ein Unternehmen zu übergeben: "Entweder man vererbt es oder man übergibt es schon zu Lebzeiten der älteren Generation an die jüngere Generation" sagt Christoph Thiery.
Zuerst sei es wichtig, Lösungen zu überlegen, die das Miteinander von Familie und gegebenenfalls Dritten berücksichtigen. Diese Regelungen gelte es juristisch umsetzen. ,,Zuletzt muss man dafür Sorge tragen, dass das Ganze steuerlich ausgearbeitet ist", betont der Anwalt.
Die Nachfolge wird nach Erfahrung der Thierys in vielen Fällen allein mit Blick auf das Steuerrecht angegangen. „Nach meiner Beobachtung geht das schief. Denn die eigentliche Problematik liegt im Verhältnis der Generationen“, sagt der Seniorchef der Saarbrücker Kanzlei, Detlef Thiery, und erläutert die Problematik an einem Beispiel: „Wenn ich alles nach Steuern ausrichte und nicht berücksichtige, dass mein Sohn und seine Schwestern, denen ich die Firma übergebe, nicht miteinander können, scheitert eine Nachfolgeregelung. Erst wenn ein Konsens der Beteiligten erreicht ist, empfiehlt es sich, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zu konsultieren.“
Nimmt man einen Standardfall an, dass ein Unternehmer das Interesse signalisiert, den Betrieb an eine Tochter oder einen Sohn zu Lebzeiten zu übergeben, dann stellen sich laut Christoph Thiery unter anderem zunächst folgende Fragen: Findet sich ein geeigneter Nachfolger aus der Familie? Wie viel Einfluss will ein Firmeninhaber zu welchem Zeitpunkt aufgeben? Zu welchen Konditionen will man Geschäftsanteile übertragen? Wann werden Sohn oder Tochter Geschäftsführer? Bleibt der Inhaber oder die Inhaberin aktiv in der Geschäftsführung?
„Eine Übergabe an die Kinder lässt sich nicht erzwingen“, sagt Christoph Thiery. Das Interesse muss da sein, und die Nachfolger müssen auch die passenden Fähigkeiten mitbringen. „Wenn ein kreativer Freigeist ohne Begeisterung für Zahlen das Wirtschaftsprüfungsunternehmen des Vaters übernehmen soll, wird mindestens einer unglücklich werden“, skizziert er eine Beispielsituation. Diese menschlichen Dinge richtig einzuschätzen und zu klären, ist nach seiner Erfahrung schwierig. Es sei daher verständlich, dass sich Unternehmer darum drücken, diese Themen anzugehen. Man sollte aber nicht zu lange warten, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, rät er. Wenn keine familieninterne Nachfolge möglich ist, dann müsse man über einen Verkauf des Unternehmens nachdenken.
Man sollte mit 55 Jahren beginnen, empfiehlt Detlef Thiery. „Wer mit 70 oder 80 noch nicht drangegangen ist, der tut es kaum noch.“ Und das werde dann oft zum Problem zwischen den Generationen.
Ein großes Problem sind Erbstreitigkeiten. „Wenn ein Sohn vom Vater die Firma übernimmt und eine Tochter in Berlin das Elternhaus im Saarland erbt, das viel weniger wert ist als das Unternehmen, ist die Krise vorprogrammiert“, schildert Detlef Thiery einen typischen Auslöser für Konflikte.
Eine Nachfolge zu Lebzeiten sei im Regelfall zu empfehlen, sagt Christoph Thiery. Dann kann man sich in der Familie austauschen, gestalten und auch gegebenenfalls noch etwas ändern. „Wenn man in der Familie miteinander kann, soll man versuchen, zu Lebzeiten eine Regelung hinzubekommen“, rät er.
Christoph Thiery macht selten die Erfahrung, dass die großen Fragen der Übergabe in der Familie geklärt sind. „Ein einvernehmlicher Beratungsfall ist ein sehr glücklicher Fall“, sagt er. Eltern und Kinder kämen selten zusammen in die Kanzlei. Klar ist: Die ältere Generation sitzt am längeren Hebel. Sie kann entscheiden, was mit ihrem Unternehmen geschehen soll. Die wenigsten kämen mit einem Konzept und sagten, „Wir haben uns mit unserem Sohn oder unserer Tochter darauf geeinigt, das so und so zu machen“. Meist kämen die Mandanten mit groben Überlegungen wie zum Beispiel: „Wir möchten, dass unsere Tochter das Unternehmen übernimmt. Unser Sohn, der schon immer etwas anderes machen wollte, der soll abgefunden werden.“ Bevor man einen Berater aufsucht, solle man sich eine Marschroute überlegen, empfiehlt Thiery. Die wenigsten seien aber in der Lage, ohne Berater ein tragfähiges, umfassendes Konzept zu entwickeln.
Aus Sicht von Christoph Thiery ist es wichtig, die jüngere Generation frühzeitig am Unternehmen zu beteiligen. Gesellschafter- und Geschäftsführerebene müsse man dabei getrennt sehen, obwohl beides in Familienunternehmen oft deckungsgleich sei. Die Übergabe auf Geschäftsführerebene hält er zur Sicherung der Unternehmensabläufe meistens für drängender als die Beteiligung an der Gesellschaft. Denn die Übergabe der Geschäftsführung zeige, dass das Unternehmen weitergeführt wird. Das sei wichtig mit Blick auf die Kunden und auch auf die Mitarbeiter. Thiery erklärt, dass es ratsam sein kann, die Unternehmensanteile gestaffelt nach und nach zu übergeben.
Die Versorgung der älteren Generation lasse sich über Vereinbarungen mit der jüngeren Generation regeln, sagt Detlef Thiery. Zum Beispiel über einen Kaufpreis, einen Rentenvertrag oder eine Nießbrauchsregelung. „Es gibt kaum einen Unternehmer, der den Betrieb an einen Sohn oder eine Tochter weitergibt, ohne dass etwas bezahlt werden muss.“
„Ein wichtiges Stichwort ist der Pflichtteil“, sagt Christoph Thiery. Man kann in Deutschland nicht beliebig seine Vermögenswerte einer bevorzugten Person zukommen lassen, sondern von Gesetzes wegen steht bestimmten Verwandten des Erblassers und dem Ehegatten ein Pflichtteil zu. Dieser Geldzahlungsanspruch sichert deren Mindestbeteiligung an dem Nachlass. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Die gesetzliche Erbregelung gilt, wenn keine anderweitigen testamentarischen Regelungen festgelegt sind.
„An dem Pflichtteil können sich heftigste Streitigkeiten entzünden, wenn beispielsweise ein Kind das Unternehmen bekommen hat und die anderen Angehörigen sich benachteiligt fühlen“, erläutert Christoph Thiery. Wenn diese ihren Pflichtteil geltend machen, könne das für das Unternehmen existenzbedrohend sein. „Das Pflichtteilsrecht ist eines der größten Probleme bei der freien Gestaltung eines Testaments.“ Ein Beispiel: Von zwei Kindern eines unverheiratet verstorbenen Elternteils erbt eines ein Unternehmen im Wert von 20 Millionen Euro, während das andere enterbt wird. Der Pflichtteilanspruch liegt dann alleine wegen des Unternehmens bei fünf Millionen Euro. Noch problematischer sind häufig Fälle, in denen das andere Kind nicht ganz enterbt wird, sondern im Erbfall andere Werte erhält. Dann müssen die Werte zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, um festzustellen, ob noch Pflichtteilsansprüche bestehen oder nicht. Der Wertunterschied zwischen zugedachtem Erbe und Pflichtteilsanspruch ist dann der Zündstoff für einen langwierigen Streit. Nach Einschätzung von Detlef Thiery „müssen mehr Familienunternehmen wegen Familienstreitigkeiten schließen als wegen eines Scheiterns im Markt“.
Um beurteilen zu können, ob und in welchem Umfang ein Pflichtteilsanspruch besteht, muss das Unternehmen bewertet werden. Es gibt Bewertungskriterien, „aber es bleibt ein Ermessensspielraum“, sagt Christoph Thiery. „Wertgutachten zu ein und demselben Unternehmen können weit auseinanderliegen.“ Auseinandersetzungen um den Pflichtteil enden daher nach seiner Erfahrung oft mit einem Vergleich, weil es für die Beteiligten irgendwann unwirtschaftlich wird, das Verfahren immer weiter zu treiben. Die Kosten für ein Wertgutachten können laut Detlef Thiery je nach Größe und Komplexität des Unternehmens sechsstellig sein.
Ein Unternehmer kann sein Unternehmen einer Stiftung übertragen, was ihn dann zum sogenannten Stifter macht. Der Stifter kann auf diesem Wege seine persönlichen Vorstellungen über den eigenen Tod hinaus umsetzen und dabei häufig auch noch Steuern sparen. Der Stifter sollte seine Vorstellungen möglichst eingehend in der Stiftungssatzung niederlegen, um ihnen zur bestmöglichen Geltung zu verhelfen. Stiftungen bieten sich an, um den Bestand eines Unternehmens „in einer Hand“, nämlich in derjenigen der Stiftung, zu sichern und zugleich die Gewinne gemeinnützigen Zwecken zukommen zu lassen, so Christoph Thiery. Zugleich warnt er: Die Übertragung des Unternehmens auf eine Stiftung kann ebenfalls Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche von bestimmten Verwandten oder eines überlebenden Ehegatten auslösen und dadurch zu erbittertem Streit führen. Bei dem Vorhaben, eine Stiftung zu errichten, sei fachkundige Beratung also von Anfang an unverzichtbar.
Die Kanzlei Thiery & Thiery in Saarbrücken ist selbst ein Familienunternehmen. Gertrud und Detlef Thiery gründeten die Kanzlei 1978. Außer Straf- und Verwaltungsrecht decken sie die Breite der Rechtsgebiete ab. Schwerpunkte liegen bei Arbeits- und Familienrecht. Ihr Sohn Christoph Thiery ist 2018 mit eingestiegen. Sein Fokus liegt auf Erb- sowie Handels- und Gesellschaftsrecht. In der Erbrechtsberatung kümmern sich die Thierys vor allem um Unternehmerfamilien und Unternehmensnachfolge. Die Kanzlei versteht sich als Familiendienstleister für Familienunternehmen.
Text: Volker Meyer zu Tittingdorf
Foto: Dirk Guldner