In der 44. Ausgabe unseres Newsletters finden Sie u. a. folgende Beiträge:
Die Vergütungspflicht an Feiertagen
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir berichten in der Ihnen vorliegenden Ausgabe unseres Newsletters über eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu den Anforderungen an das Unterrichtungsschreiben bei einem Betriebsübergang.
Des Weiteren befassen wir uns mit der Vergütungspflicht des Arbeitgebers an Feiertagen und insbesondere der Problematik der nicht bundeseinheitlichen Feiertage.
Darüber hinaus berichten wir über eine aktuelle Entscheidung des BAG betreffend der Verpflichtung von Arbeitnehmern zur Erreichbarkeit in der Freizeit und befassen uns mit Nebentätigkeiten und deren Genehmigungsfähigkeit bzw. Untersagung.
Wir wünschen wie immer eine informative Lektüre und stehen bei weitergehenden Fragen jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Rechtsanwälte Thiery & Thiery
Der Betriebsübergang ist ein juristischer Vorgang, bei welchem sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber des Betriebes oder Betriebsteiles eigentlich nur alles falsch machen können. Der deutsche und europäische Gesetzgeber sowie die deutschen und europäischen Gerichte haben nichts ausgelassen, um dem Rechtsanwen- der das Leben schwer zu machen.
Heftig umstritten ist insbesondere das nach § 613a Abs. 5 BGB erforderliche Unterrichtungsschreiben. Mit diesem Unterrichtungsschreiben sollen alle vom Betriebsübergang betroffenen Mitarbeiter unterrichtet werden über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, dem Grund für den Übergang, die rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die Arbeitnehmer und über die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen. Ständig kamen durch die Rechtsprechung neue Anforderungen hinzu.
Beginnend mit ersten Hinweisen in Urteilen aus den Jahren 2021 und 2023 hat das BAG in seinem Urteil vom 21.03.2024 unter dem Aktenzeichen 2 AZR 79/23 eine Wende vollzogen:
Es ging um die Frage, ob ein Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang rechtzeitig, nämlich binnen eines Monats nach Erhalt des Unterrichtungsschreibens, den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses erklärt hat. Der Arbeitnehmer wollte sich zu Nutze machen, dass in dem Unterrichtungsschreiben ein Detail zu der geschäftlichen Tätigkeit der Betriebserwerberin und deren Verhältnis zu der Konzernobergesellschaft gefehlt hat.
Er wollte geltend machen, dass das Unterrichtungs- schreiben fehlerhaft sei, deshalb die Monatsfrist für den Widerspruch nicht in Gang gesetzt wurde und sein Widerspruch, den er erst fast zwei Monate nach Erhalt des Schreibens erklärt hat, als rechtzeitig gelte.
In dem vorgenannten Urteil hat das BAG nunmehr klargestellt: Ein Fehler bei der Unterrichtung, der für die Willensbildung des Arbeitnehmers, für seine Entscheidung, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen soll, ohne Belang ist, ist unbeachtlich. Er führt nicht dazu, dass die Monatsfrist für den Widerspruch nicht zu laufen beginnt.
Diese Aussage des deutschen obersten Arbeitsgerichtes lässt zunächst einmal aufatmen. So richtig und wichtig sie ist – die Streitigkeiten um die Anforderungen an das Unterrichtungsschreiben werden weiter gehen, nunmehr angereichert um die Frage: Welche Angaben zum Betriebsübergang sind für die Willensbildung eines Arbeitnehmers von Belang und welche nicht?
Die Rechtssicherheit für den Betriebsveräußerer und den -erwerber wurden mit dem Urteil vom 21.03.2024 auf klassische Weise "verschlimmbessert"!
Die gesetzliche Regelung ist recht knapp gehalten:
Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an (Sonn- und) gesetzlichen Feiertagen von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr nicht beschäftigt werden. Nach § 2 Abs. 1 EntgFG gilt: Für Arbeitszeit, die in Folge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.
Wie kommt es, dass in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich viele Feiertage gelten? Die gesetzlichen Feiertage sind nicht bundeseinheitlich festgelegt, sondern in Landesgesetzen, den Sonn- und Feiertagsgesetzen der Bundesländer. Insgesamt 9 Feiertage finden sich übereinstimmend in allen Landesgesetzen. Die Divergenz beruht auf regionalen kirchlichen Schwerpunkten. Es sind dies: Heilige Drei Könige, Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt, Allerheiligen und Buß- und Bettag.
Solange der Wohnort des Arbeitnehmers und der Arbeitsort sich in demselben Bundesland befinden, hat es damit sein Bewenden. Was aber gilt, wenn beide sich in unterschiedlichen Bundesländern befinden, in welchen unterschiedliche Feiertagsgesetze gelten? Diese Frage hat sich schon immer gestellt bei Arbeitnehmern mit wechselndem Einsatzort oder bei Arbeitsverhältnissen, die mit Reisetätigkeit verbunden sind. Seit der Corona-Pandemie und dem vermehrten Einsatz im Homeoffice hat sie deutlich an Bedeutung hinzugewonnen.
Bei diesen divergierenden Festtagen kommt es auf den Arbeitsort und nicht auf den Wohnort des Arbeitnehmers an. Es kommt auch nicht auf den Unternehmenssitz des Arbeitgebers an, wenn dieser an verschiedenen Standorten in mehreren Bundesländern Niederlassungen hat. Der Arbeitnehmer darf an Feiertagen am konkreten Arbeitsort nicht arbeiten, auch wenn der Tag am Betriebssitz des Arbeitgebers oder Wohnsitz des Arbeitnehmers kein Feiertag ist. Der Arbeitnehmer muss jedoch arbeiten, wenn an seinem Wohnsitz ein Feiertag ist, nicht aber an seinem Arbeitsort. Das bedeutet also z. B.: Wohnt der Arbeitnehmer in Bayern, arbeitet er aber in Hessen, muss er am 06.01. eines Jahres (Heilige Drei Könige) arbeiten.
Ist es umgekehrt, d. h. er wohnt in Hessen, arbeitet in Bayern, so hat er am 06.01. im Gegensatz zu seinen Nachbarn frei. Die letzte Variante ist, der Arbeitnehmer wohnt in Hessen, arbeitet für ein bayerisches Unternehmen, arbeitet aber ausschließlich oder zumindest an dem Tag (06.01.) regelmäßig im Homeoffice in Hessen, so ist für ihn der 06.01. kein Feiertag.
Bei der Tätigkeit im Homeoffice ist jedoch zu beachten, dass nur ausdrückliche Homeoffice-Vereinbarungen erfasst werden. Nur in diesem Fall hat der Arbeitnehmer einen tatsächlichen Arbeitsplatz an seinem Wohnort in seiner Wohnung. Ist stattdessen nur die Präsenzpflicht beim Arbeitgeber aufgehoben und mobiles Arbeiten erlaubt, also ohne festen regelmäßigen und vom Arbeitgeber eingerichteten Arbeitsplatz in der Wohnung, wird bei der Feiertagsregelung wieder auf den Tätigkeitsort des Arbeitnehmers abzustellen sein. Dieser wird regelmäßig beim Arbeitgeber liegen.
In Fällen mit Auslandsbezug ist auf die jeweiligen nationalen Gegebenheiten abzustellen. Für ausländische Arbeitnehmer in Deutschland gelten die deutschen Feiertage, nicht aber die Feiertage des Herkunftslandes. Für deutsche Arbeitnehmer im Ausland gelten die Feiertage des Auslandes. Die deutschen Feiertage gelten auch dann nicht, wenn der deutsche Arbeitnehmer im Ausland bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt ist, selbst dann nicht, wenn auf sein Arbeitsverhältnis deutsche Recht anzuwenden ist. Das Feiertagsrecht ist öffentlich-rechtlicher Natur und beschränkt auf den nationalen Anwendungsbereich.
... so urteilte das LAG Schleswig-Holstein am 27.09.2022 (1 Sa 39 öD/22). Für das BAG war dies zu kurz gesprungen.
Was war geschehen?
Ein Rettungssanitäter war während seiner Freizeit wiederholt telefonisch und per SMS und in einem Fall auch per E-Mail für seinen Chef nicht erreichbar gewesen. Der Arbeitgeber wollte auf diese Weise einen kurzfristig zugestellten Dienst kommunizieren. Der Arbeitnehmer hätte in einem der ausgeurteilten Fälle seinen Dienst am kommenden Tag um 06:00 Uhr morgens antreten sollen. Stattdessen meldete er sich, wie ursprünglich geplant, erst um 07:30 Uhr zur Arbeit. Der Arbeitgeber hatte bereits einen Kollegen aus der Rufbereitschaft an- gefordert. Auf die Dienste des unwilligen Arbeitnehmers hat er verzichtet und den Tag als unentschuldigtes Fehlen mit Lohnabzug geahndet und zudem eine Abmahnung erteilt.
Dies ließ sich der Arbeitnehmer nicht gefallen. Seine Klage vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein begründete er im Wesentlichen damit, dass er sein Handy lautlos stelle, wenn er sich in seiner Freizeit um seine Kin- der kümmere. Zudem umgehe der Arbeitgeber mit diesem Vorgehen die umfangreichere Anordnung von vergütungspflichtiger Rufbereitschaft, um Kosten zu sparen.
Das LAG Schleswig-Holstein war der Meinung, dass Arbeitnehmer über ihre Erreichbarkeit in der Freizeit generell selbst entscheiden können und SMS vom Arbeitgeber, die in seiner Freizeit eingehen, erst bei Dienstbeginn lesen müssen. Das Lesen einer dienstlichen SMS in der Freizeit sei Arbeitszeit.
Das BAG sah dies differenzierter. Es bezog sich auf eine Betriebsvereinbarung, welche vorsah, dass "unkonkret zugeteilte Springerdienste für Tag- und Spätdienste bis 20:00 Uhr des Vortags vor Dienstbeginn im Dienstplan weiter konkretisiert werden können". Damit habe der Arbeitnehmer eine Nebenleistungspflicht des Inhaltes, Weisungen in Bezug auf den zugeteilten Dienst, auch außerhalb seiner eigentlichen Dienstzeit zur Kenntnis zu nehmen.
Um die Nebenpflicht zu erfüllen, müsse der Arbeitnehmer während seiner Freizeit nicht ununterbrochen für den Arbeitgeber erreichbar sein. Er sei keineswegs verpflichtet, den ganzen Tag auf sein Mobiltelefon zu schauen und sich dienstbereit zu halten. Er könne vielmehr frei entscheiden, wann und wo er die SMS seines Arbeitgebers lese. Auch sei der Moment der Kenntnisnahme zeitlich so geringfügig, dass er die Nutzung der freien Zeit nicht wirklich beeinträchtige. Die Ruhezeit werde durch die Kenntnisnahme der SMS nicht unterbrochen. Der Arbeitgeber habe die Arbeitskraft an diesem Tag zu- recht nicht angenommen, weil der Arbeitnehmer seine geschuldete Arbeitsleistung nicht, wie erforderlich, angeboten habe.
Das Fazit des BAG: Wenn einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin auf der Grundlage der betrieblichen Regelungen bekannt ist, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den folgenden Arbeitstag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren kann, dann sind Beschäftigte durchaus verpflichtet, eine solche, per SMS mitgeteilte Weisung auch in der Freizeit zur Kenntnis zu nehmen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte am 28.02.2002 unter dem Aktenzeichen 6 AZR 357/01 einen makabren Fall zu entscheiden und sich dabei über viele Seiten große Mühe gegeben, um angemessene Worte zu finden.
Der Fall: Der Kläger war Krankenpfleger in einer Klinik und zwar im Funktionsbereich Anästhesie. Er war – was nicht bekannt war – schon seit Jahren Gesellschafter ei- nes Bestattungsunternehmens. Anlässlich der Eröffnung einer neuen Trauerhalle erschien ein Presseartikel, in welchem der Kläger mit Namensnennung und Foto als Mitarbeiter des Unternehmens vorgestellt wurde. Aus- drücklich wurde seine berufliche Erfahrung auch im Um- gang mit Hinterbliebenen hervorgehoben. Ein Streit über die Nebentätigkeit des Klägers und deren Untersagung war die Folge.
Der Arbeitsvertrag enthielt die allgemein übliche Rege- lung für eine Nebentätigkeit, wonach diese unzulässig war, wenn dadurch die Arbeitskraft des Mitarbeiters oder berechtigte Interessen des Dienstgebers erheblich beeinträchtigt werden. Letzteres hat das BAG bejaht.
Die Entscheidung: Das BAG sah die berechtigten Interessen als erheblich beeinträchtigt an mit im Wesentlichen folgender Begründung:
"Die Nebentätigkeit als Leichenbestatter ist mit der vom Kläger arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit als Krankenpfleger nicht vereinbar. Als Krankenpfleger hat der Kläger für die Erhaltung von Leben und Gesundheit der ihm anvertrauten Patienten Sorge zu tragen. Er hat – ebenso wie die Beklagte – alles zu tun, um die Genesung der Patienten zu fördern und alles zu unterlassen, was diesem Ziel abträglich sein könnte. Dem gegenüber setzt die Tätigkeit als Leichenbestatter den Tod des Menschen voraus.
Deshalb ist der Umstand, von einem Krankenpfleger versorgt zu werden, der sich nebenberuflich als Leichenbestatter betätigt, dazu geeignet, bei Patienten Irritationen hervorzurufen. Diese könnten den Eindruck gewinnen, von einem solchen Krankenpfleger nicht in der gebotenen Weise, d. h. ohne eindeutige Lösung des durch Haupt- und Nebentätigkeit entstandenen Zielkonflikts im Sinne der Erhaltung von Leben und Gesundheit, behandelt zu werden. ….
Die dadurch eintretende Verunsicherung könnte nicht nur zu Störungen im Genesungsverlauf der Patienten führen, sondern u. U. auch dazu, dass diese das Krankenhaus der Beklagten von vorn herein meiden und sich anderswo behandeln lassen. Die Beklagte hat daher sowohl in ihrer Verantwortung für die Genesung der Patienten als auch aus wirtschaftlichen Gründen ein erhebliches Interesse daran, dass der Kläger die Nebentätigkeit als Bestatter unterlässt."
Und mehr noch: Es gelte den Anschein zu vermeiden, Mitarbeiter des Pflegedienstes verschafften sich durch ihre dienstliche Tätigkeit Vorteile gegenüber Mitbewerbern bei ihrer außerdienstlichen Nebentätigkeit. Aufgrund der Presseberichte sei es "durchaus möglich, dass Patienten oder deren Angehörige den Kläger im Dienst wiedererkennen und den Bezug zu dem Bestattungsunternehmen herstellen. Dadurch könnte der Eindruck entstehen, dass das Bestattungsinstitut, für das der Kläger tätig ist, die Möglichkeit nutzt, sich von Angehörigen der im Krankenhaus der Beklagten Verstorbenen gezielt Aufträge und dadurch Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Bestattungsunternehmen zu verschaffen. Dies muss die Beklagte nicht hinnehmen."
Mit Sicherheit standen die Richter bei ihrer Entscheidung auch unter dem besonderen Eindruck des Umstandes, dass der Kläger schon vor Aufkommen des Rechtstreites über seine Nebentätigkeit im Krankenhaus gezielt für das Bestattungsunternehmen geworben hatte.