Newsletter


MANDANTEN-NEWSLETTER 03/2023: ARBEITSRECHT

In der 39. Ausgabe unseres Newsletters finden Sie u. a. folgende Beiträge:

  1. Der besondere Kündigungsschutz
  2. Vorsicht bei der Verwendung von Mitarbeiterfotos im Werbematerial
  3. Kündigung wegen Äußerungen in einer Chatgruppe
  4. Das Informationsfreiheitsgesetz
  5. Ein Smiley im Arbeitszeugnis

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dieser Ausgabe unseres Newsletter geben wir einen Überblick über den sog. besonderen Kündigungsschutz.

Darüber hinaus finden Sie Ausführungen zum Informationsfreiheitsgesetz und wir berichten über drei interessante Urteile. Das zuletzt dargestellte Urteil zeigt, wie kreativ Arbeitgeber sein können und dürfen und bietet Anlass zum Schmunzeln.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und stehen bei Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
 Ihre Rechtsanwälte Thiery & Thiery

Der besondere Kündigungsschutz

Der allgemeine Kündigungsschutz (KSchG) in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern und bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten, ist hinlänglich bekannt. Gleiches gilt auch für den Sonderkündigungsschutz während Schwangerschaft, Mutterschutz und Elternzeit und wohl auch für den Sonderkündigungsschutz eines Schwerbehinderten und diesem Gleichgestellten.  

Der besondere Kündigungsschutz oder Sonderkündigungsschutz geht aber noch sehr viel weiter. Dieser Beitrag über Einschränkungen beim Recht des Arbeitgebers zur Kündigung soll eine Übersicht geben und in erster Linie ein Problembewusstsein schaff en. Die konkrete Ausgestaltung und die Folgen sind teilweise unterschiedlich und müssen im Einzelfall gesondert geprüft werden. Personen, die einen Sonderkündigungsschutz genießen, lassen sich grundsätzlich in zwei Gruppen unterteilen: die Mandatsträger (I.) und Arbeitnehmer in besonderen Lebenssituationen (II.). 

 

I. Die Mandatsträger

Hierzu zählen

  1. Betriebsratsmitglieder und Personalratsmitglieder
  2. Schwerbehindertenvertreter
  3. Mitglieder einer Jugend- und Ausbildungsvertretung
  4. Wahlvorstände und Wahlbewerber für Betriebsrat und Personalrat
  5. Innerbetriebliche Beauftragte, wie Datenschutzbeauftragte, Gewässerschutzbeauftragte, Immissionsschutzbeauftragte, Abfallbeauftragte, Störfallbeauftragte, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte 
  6. Personen, die politische Wahlämter angestrebt oder innehaben
  7. Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (nur bedingt)
    Deren Sonderkündigungsschutz ist begründet im KSchG, SGB IX, BGSG, BHG, BImSchG, ASiG, KrWG, für politische Volksvertreter im GG und in den Abgeordnetengesetzen der Länder.

 

II. Die Arbeitnehmer in besonderen Lebenssituationen

Hierzu zählen:

  1. Schwangere, Mütter und Arbeitnehmer in Elternzeit
  2. Schwerbehinderte
  3. Auszubildende
  4. Arbeitnehmer in Pflegezeit oder Familienpflegezeit
  5. Personen im Freiwilligen Wehrdienst
    Deren Sonderkündigungsschutz ist begründet im MuSchG, BEEG, SGB IX, BBiG, PflegeZG, FPfZG, WPfl G i.V.m. ArbeitsplatzschutzG. Wir empfehlen, diese Aufstellung als eine Art Checkliste bereit zu halten, um zu vermeiden, dass ein Sonderkündigungsschutz übersehen wird. Dies könnte im Streitfall fatale Auswirkungen haben. 

Vorsicht bei der Verwendung von Mitarbeiterfotos im Werbematerial

Der Fall: 

Ein Arbeitgeber hat mit ausdrücklicher Zustimmung  seines Mitarbeiters Werbematerial (Flyer, Video) für  Schulungen, Coaching etc. mit Fotos ihres in diesem Bereich tätigen Mitarbeiters illustriert. Das Arbeitsverhältnis wurde beendet. Der Arbeitnehmer hat ein Arbeitsverhältnis zu einem unmittelbaren Wettbewerber  aufgenommen. Der Arbeitgeber hat jedoch das Werbematerial unverändert weiter genutzt. Erst nach wiederholter, hartnäckiger Aufforderung hat der Arbeitgeber  die Fotos entfernt.

Das Urteil: 

Der Arbeitnehmer hat beim Arbeitsgericht Klage erhoben, unter anderem auf Zahlung von Schadensersatz wegen Verletzung der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) und des Persönlichkeitsrechtes “Recht am eigenen Bild“. Sowohl das Arbeitsgericht Pforzheim als auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urt. v. 27.07.2023, Az.: 3 Sa 3/22) haben dem Kläger einen Anspruch zuerkannt. Wegen der besonderen Umstände (Missachtung der wiederholten Aufforderungen über neun Monate und Tätigkeit des früheren Arbeitnehmers bei einem direkten Wettbewerber) hat das Berufungsgericht die Entschädigung mit 10.000 € deutlich höher angesetzt, als das Gericht in I. Instanz.

Die wesentlichen Aussagen des Urteils sind: 

Das ursprünglich erklärte Einverständnis des Arbeitnehmers in die werbemäßige Verwendung seiner Fotos gilt nicht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus, insbesondere wenn der Arbeitnehmer anschließend bei einem Wettbewerber tätig wird (was wohl nicht selten der Fall sein dürfte). Der Arbeitgeber hätte von sich aus beim Ausscheiden des Mitarbeiters dessen Fotos aus den Werbemedien entfernen müssen. Bei der Bemessung der Entschädigung sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriff s, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild (Verwendung von Fotos) sind im Regelfall geringere Anforderungen an die Zusprechung einer Geldentschädigung zu stellen, da die Rechtsverletzung, anders als bei den Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerungen, regelmäßig nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Bei der Entschädigung steht regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen. 

In Fällen der vorliegenden Art ist dem Arbeitgeber dringend zu empfehlen, dass er mit dem betreffenden Arbeitnehmer bei dessen Ausscheiden eine klare Absprache trifft, wie mit seinen Werbeabbildungen und sonstigem Material zu verfahren ist

Kündigung wegen Äußerungen in einer Chatgruppe

Ein Arbeitnehmer war seit 2014 Mitglied einer 7-köpfigen Chatgruppe. 6 der Mitglieder waren Kollegen und „langjährig befreundet“, 2 davon sogar miteinander verwandt. Im November 2020 wurde ein ebenfalls langjährig befreundeter ehemaliger Kollege in die Gruppe aufgenommen. 

Neben rein privaten Themen machten die Gruppenmitglieder – allen voran der besagte Arbeitnehmer – die Chats zum Podium für stark beleidigende, rassistische, sexistische, menschenverachtende und zur Gewalt aufstachelnde Äußerungen über Vorgesetzte und andere Kollegen.

Hiervon erfuhr der Arbeitgeber – von wem und wie auch immer. Er reagierte mit einer fristlosen Kündigung. 

Die beiden ersten Instanzen haben der vom Arbeitnehmer erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben mit der Begründung, der Kläger habe berechtigt erwarten dürfen, dass die ihm vorgeworfenen Äußerungen innerhalb der Chatgruppe vertraulich behandelt werden. 

Das BAG (Urt. v. 24.08.23, Az.: 2 AZR 17/23) sah die Sache aber anders. 

Die Vertraulichkeit könne nur dann berechtigt erwartet werden, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen. Dies wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben. Mit anderen Worten: Für die Erwartung der Vertraulichkeit kommt es auf die Art der Nachricht und die Größe der Gruppe an. 

Das BAG hat das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird dem Kläger Gelegenheit für die Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Deutschlands höchste Arbeitsrichter beschäftigen sich in diesem Verfahren erstmals mit der Frage, ob eine kleine WhatsApp-Gruppe eine Art geschützter, privater Raum ist, in dem Vertraulichkeit gilt und Beschimpfungen oder Beleidigungen ohne arbeitsrechtliche Sanktionen ausgetauscht werden können.

Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) - Was ist das?

Wir beklagen uns oft über Einschränkungen und Belastungen, die uns durch Gesetze auferlegt werden. Es gibt aber auch Gesetze, die den Bürgern und weitgehend auch privatrechtlichen Institutionen erhebliche Rechte und Ansprüche gegen staatliche Stellen einräumen. So auch die – meines Erachtens wenig bekannten – Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder (dort bisweilen Transparenzgesetz genannt). 

Der Name ist irreführend, weil es nicht um die Freiheit von Informationen geht, was immer das auch wäre. Aber worum geht es stattdessen? 

Diese Gesetze ermöglichen den freien Zugang zu amtlichen Informationen der öffentlichen Stellen des Bundes, der Länder und Kommunen und die Einsicht in deren Verwaltungsvorgänge. Dabei verstehen sich die „amtlichen Informationen“ als alle Informationen, die bei ordnungsgemäßer Aktenführung Bestandteil eines öffentlichen Vorgangs sind. Erfasst werden also alle Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken dienen und zwar sowohl Schriftstücke als auch digitale Daten und elektronische Materialien. Ausgenommen sind etwa Entwürfe oder Notizen, die nicht Bestandteil des Vorgangs sind. Kurz: (fast) alles, was abgeheftet oder gespeichert ist, ist amtliche Information. 

Gegenstand eines Informationsersuchens kann praktisch jeder Vorgang der Verwaltung und des öffentlichen Dienstes sein. Von geplanten Straßenbauprojekten über den Erlös aus dem Verkauf eines öffentlichen Grundstückes, Subventionsentscheidungen und Fördermittel für Sportvereine bis zu den Kosten der Straßenbeleuchtung oder die Herausgabe eines Organisationsplanes der Stadt- oder Gemeindeverwaltung. 

Eine inhaltliche Grenze setzen vorrangige spezifische Regelungen und Gesetze, wie etwa das Meldegesetz oder das Umweltinformationsgesetz, die eigene Regelungen für Auskünfte enthalten. 

Der Anspruch nach dem IFG besteht für jedermann unabhängig von Wohnsitz und Staatsangehörigkeit, auch für juristische Personen des Privatrechts und Verbände.

Ein Antrag nach dem IFG kann formlos gestellt werden. Der Antragsteller muss weder von dem angefragten Verwaltungsvorgang betroffen sein, noch seinen Antrag begründen. 

Solange keine wichtigen Gründe entgegenstehen, muss die Behörde innerhalb eines Monats die vom Antragsteller gewählte Form des Zugangs gewähren, sei es durch Akteneinsicht, Übersenden von Aktenauszügen in Kopie, mündliche oder schriftliche Auskunft. 

Wichtige Gründe, die zur Ablehnung des Antrages führen, können zum Beispiel sein: 

  • Schutz personenbezogener Daten 
  • Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 
  • Schutz des laufenden behördlichen Entscheidungsprozesses

Über entstehende Kosten muss die Behörde im Voraus Auskunft erteilen. Es existiert eine Gebührenordnung, die als rechtmäßig bezeichnet werden muss. 

Gegen eine ablehnende Entscheidung sind Widerspruch und Klage zum Verwaltungsgericht zulässig. 

Auch das gibt es im juristischen Alltag des Arbeitsrechtlers: Ein Smiley im Arbeitszeugnis!

Ein Arbeitgeber hatte die Angewohnheit bei seiner Unterschrift den Anfangsbuchstaben seines Namens in ein lächelndes Smiley umzuwandeln. Warum auch nicht, wenn er es schön und passend findet. 

Dann kam ihm die Idee, im Arbeitszeugnis für einen Mitarbeiter, von dem er sich im heftigen Streit – auch zum Zeugnisinhalt – getrennt hatte, diese seine Eigenheit als „Waffe“ einzusetzen. Der Unterschrift unter die zigste Fassung des Arbeitszeugnisses verpasste er ein Smiley, den der frühere Arbeitnehmer in seiner Klage beschrieb als „zwei Punkte und ein nach unten gezogener Haken“. Er wertete dieses als Smiley mit negativen Gesichtszügen und dementsprechend einer negativen Aussage zu seiner Person. 

Gestritten wurde auch über die Frage, ob der Beklagte den Smiley immer oder nur immer öfter eingesetzt hat, also ob er fester Bestandteil der Unterschrift war. 

Beim Arbeitsgericht Kiel traf der Arbeitnehmer damit auf offene Ohren. In seinem Urteil vom 18.04.2013, Az.: 5 Ca 80b/13, erkannte das Gericht in dem Smiley eine „Geheimsprache“, die der Arbeitnehmer nicht hinzunehmen habe.

Das besonders Merkwürdige an der Urteilsbegründung:

Der Smiley musste nicht entfernt werden bzw. unterbleiben. Nach den textlichen Vorgaben zu einer neuen Version des Zeugnisses enthält der Urteilstenor die Anweisung: „Die Unterschrift des Beklagten wird sodann in das Feld für die Unterschrift gesetzt und enthält einen „Smiley mit einem lachenden Gesicht“.

Und dann ist alles wieder gut…..

Impressum

Herausgeber: Rechtsanwälte Thiery & Thiery
Bahnhofstraße 1, D-66111 Saarbrücken
Telefon: 0681-9 58 15 0, Telefax: 0681-9 58 15 19
E-Mail: thiery@rathiery.de, www.rathiery.de

Produktion: Druckerei Demetz, St.Ingbert/Saar

Haftungsausschluss

Der Inhalt unseres Newsletters ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der Rechtsmaterie machen es notwendig, Haftung und Gewähr auszuschließen. Der Newsletter ersetzt nicht die individuelle persönliche Beratung.